Die Automatisierung der Kommissionierung in Frische- und Tiefkühllägern ist ein Trend, der schon seit Jahren anhält. Er ist in industrialisierten Ländern weltweit dort zu beobachten, wo relativ hohe Lohnkosten und Fach- oder generell Arbeitskräftemangel herrschen – und das ist mittlerweile quasi überall. So hat Andreas Oy, Bereichsleiter Food & Beverage bei SSI Schäfer, im Interview mit der Fachzeitschrift Frischelogistik geschildert, wie sich in Europa, den USA, Kanada und Australien vermehrt für solche intralogistische Lösungen entschieden wird. Auch Arbeitsschutzvorschriften können ein Grund sein, die Automatisierung in tiefkalter Umgebung zu forcieren, erläutert er am Beispiel der skandinavischen Länder.

Ein weiterer Grund für den Zuwachs an Automatisierung ist auch der Trend zu Convenience Food, also frischen, vorgefertigten Gerichten. In Supermärkten kann man immer mehr bereits gewaschene und geschnittene Salate und Obst oder auch Hummus finden –alles Artikel mit einem extrem kurzen Shelf Life und entsprechend der Notwendigkeit einer leistungsfähigen Logistik dahinter. Ab einer gewissen Größe des entsprechenden Geschäfts setzen Unternehmen hier auf Systeme mit teilautomatisierter Kommissionierung, um den stark gestiegenen Auftragsvolumen effizient gerecht zu werden. An den Pick-Stationen kann so das Ware-zur-Person Prinzip realisiert werden. Laut Oy ist das gerade bei Unternehmen, die beide Vertriebskanäle bedienen, also sowohl Restaurants und Gaststätten als auch den Handel mit verderblichen, vorgefertigten Produkten beliefern, von Interesse.

Ein Beleg für die wachsende Bedeutung von gekühlter Convenience ist zum Beispiel das neue Logistikzentrum des Großhändlers Lekkerland in Kerpen-Türnich. Explizit nennt das Unternehmen das steigende Interesse vieler Konsumenten an frischen Produkten wie Salaten und Sandwiches unterwegs als Grund dafür, den Anteil der Flächen für die Lagerung von gekühlten und tiefgekühlten Produkten an den rund 28 000 Quadratmetern am neuen Standort auszuweiten. Knapp jeder Zweite kaufe mindestens einmal in der Woche ein Getränk, einen Snack oder ein anderes Produkt zum Mitnehmen, wie eine repräsentative Studie des Unternehmens ergab.

Auch der Parksteiner Intralogistik-Anbieter Witron setzt voll auf den Trend Automatisierung. Das Unternehmen wurde in Frankreich mit dem renommierten Logistik-Preis „Roi de la Supply Chain“ für seine Flow Picking Machinery (FPM) für die vollautomatische Kommissionierung in bestandlosen Verteilzentren ausgezeichnet. Sie basiert auf dem realen »Business Case« des Lebensmitteleinzelhändlers E. Leclerc Socamil. Dass der Marktstart des Systems in Frankreich erfolgte, war kein Zufall: „Wir haben hier mehr als das Fünffache an Artikeln im Frischebereich als in anderen Ländern, wesentlich mehr Ultra-Frische Artikel mit sehr kurzen Mindesthaltbarkeitsdaten und eine wesentlich anspruchsvollere Erwartungshaltung der Kunden hinsichtlich Vielfalt, Auswahl und Qualität als beispielsweise in Deutschland“, erläutert Claus Holm, bei Witron verantwortlich für die Vertriebsregion Südwest-Europa.

Steigenden Kostendruck, Platzmangel und Personalengpässe sieht auch der Anbieter Knapp als die derzeit großen Herausforderungen in der Logistik. Die Österreicher haben eigens für den Lebensmittelhandel Runpick, den Robotic Universal Picker, entwickelt. Er soll eine höhere Leistung durch Mehrfachgriffe ermöglichen, die skalierbare, modulare Lösung steigert laut Knapp durch eine intelligente Artikelkombination die Leistung. Individuelle Packbilder durch definierbare Kriterien für die Filialbelieferung sollen für eine shopspezifische Kommissionierung sorgen. Als Ziel des von dem Unternehmen Zero-Touch Fulfillment genannten Konzepts nennt Knapp, die Anzahl an manuellen Arbeitsschritten zu minimieren, so dass die raren Mitarbeiter effizient eingesetzt und von schweren, eintönigen Aufgaben entlastet können.

All diese Projekte zeigen klar: Auch 100 Jahre, nachdem ein gewisser Clarence Birdseye die erste Anlage zum Schockfrosten von Lebensmitteln erfunden hat, ist die temperaturgeführte Logistik eine Branche, die Innovationen für die Versorgung der Menschen nutzt.

Von:

Marcus Sefrin, Chefredakteur Frischelogistik

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